Insider im Gespräch über … Samuele Campo (#28)

Hoppala, da hat der SVD am Montag auf den letzten Drücker einen weiteren Neuzugang ans Bölle geholt. Samuele Campo verstärkt vorerst bis zum Sommer die 98er, Kaufoption inklusive. Der 25-Jährige Schweizer mit italienischem Papa spielte in der Jugend und nach einem erfolgreichen Intermezzo in Lausanne seit 2018 wieder für den FC Basel. Im Mittelfeld und offensiv ausgerichtet soll sich der Linksfuß am wohlsten fühlen. Ob dem wirklich so ist, frage ich die Journalisten Samuel Waldis und Florian Raz. Samuel ist freier Sportjournalist aus Basel, Florian schreibt für den Tages-Anzeiger aus Zürich.

Mit Samuele Campo kommt ein hierzulande unbeschriebenes Blatt nach Darmstadt. Mit wem haben wir es zu tun?
Samuel: Mit einem richtigen Jungen aus Basel. Er ist hier geboren und aufgewachsen. Hat bis auf die zwei Jahre in Lausanne, in denen er den Sprung zum Profi schaffte, nur in Basel gelebt. Er war hier Balljunge, hat bei Heimspielen das Matchprogramm verteilt. Ich habe einmal über ihn geschrieben: Mehr Rotblau als ihn geht nicht.

Das Intermezzo in Lausanne zahlte sich für ihn aus. Er stieg mit dem Klub in die 1. Liga auf und wurde Stammspieler mit reichlich Torbeteiligungen. Die beste Bewerbung für eine Rückkehr zu seinem Stammklub?
Samuel:
Oh ja. Sie haben ihm hier sogar die 10 gegeben. Da waren die Erwartungen natürlich groß. Und auch beim FCB kam er auf zahlreiche Torbeteiligungen. Er hat in seinen drei Jahren hier in fast jedem zweiten Spiel ein Tor erzielt oder vorbereitet. Er hatte also immer wieder gute Phasen. So richtig durchgesetzt hat er sich in den letzten drei Jahren aber dann doch nie wirklich.
Florian: Der ehemalige Sportchef Marco Streller – einst Meister mit dem VfB Stuttgart – war ein riesiger Fan von Campos technischen Fähigkeiten. Er war überzeugt, dass Samuele Spiele mit seinen Pässen und Weitschusstoren gewinnen könne. Das Problem ist nur, dass er abtaucht, sobald ihm die Gegner auf die Füsse treten.

Inwiefern hat seine jüngste Entwicklung auch etwas mit einem Trainerwechsel zu tun? Unter Marcel Koller kam er bis zum Sommer immerhin regelmäßig auf seine Einsätze. Unter Ciriaco Sforza seither kaum noch.
Florian: Vor allem hat es damit zu tun, dass der FC Basel mit Pajtim Kasami einen neuen Spieler verpflichtetet hat, der im zentralen, offensiven Mittelfeld eingesetzt wird. Kasami hat mehr Dampf als Campo, mehr Kraft und mehr Lust, in den gegnerischen Sechzehner zu ziehen. Und er verdient nicht schlecht. Also wäre für Campo in Basel höchstens noch als Backup Platz.

Ein wenig auf sich aufmerksam gemacht hat Campo in unserer direkten Nachbarschaft. Vor einem Jahr versenkte er in der Europa League einen Freistoß bei Eintracht Frankfurt absolut sehenswert und legte dann auch noch das 2:0 auf. Beides mit links. Sind damit seine Stärken schon hinlänglich beschrieben?
Samuel: Das könnte man so sagen. Seine Scorerquote hatte ich ja bereits erwähnt. Campos‘ Trainer in Lausanne lobte ihn damals als einen technisch extrem begabten Spieler, der über einen überdurchschnittlichen Schuss verfüge. Ich finde seine Technik ebenfalls außerordentlich gut und seine Standards können sich – wie Du eben in Erinnerung gerufen hast – wirklich sehen lassen.
Florian: Wenn er Raum und etwas Zeit hat, dann kann er tatsächlich Spiele entscheiden. Und ja, seine Standards haben eine gewisse Klasse.

SVD-Coach Markus Anfang beklagte immer, dass die Lilien zu wenige Linksfüßer haben. Nun hat er mit Campo einen bekommen. Welche Positionen kann er bekleiden? Über eine Außenverteidigerrolle als Backup für Kapitän Fabi Holland müssen wir wohl nicht reden. Brächte er aber eine gewisse Schnelligkeit für den Flügel mit und ist er trickreich?
Florian: Campo ist ein klassischer Zehner, wie er im Buche steht. Wenngleich er schon auf dem Flügel eingesetzt wurde oder als linker beziehungsweise rechter Mittelfeldspieler einer Raute. Dribbeln kann er zudem. Aber für die Seite fehlt ihm eigentlich die Antrittsgeschwindigkeit.

Was schmeckt Campo in seinem Spiel weniger?
Samuel: Im Endeffekt das, was Florian schon gesagt hat. Sobald ihm die Gegner auf den Füßen stehen, hat Campo seine liebe Mühe. Zudem sind seine Schwächen im Spiel gegen den Ball nicht zu übersehen.
Florian: Pressing, Gegenpressing – das ist nicht Campos Bier. Schon in Lausanne wurde ihm vorgeworfen, dass er dann abtaucht, wenn es hart auf hart geht. Diesen Ruf konnte er in Basel nicht ablegen.

Na da wird er sich in der 2. Bundesliga umsehen dürfen. Und Markus Anfang schätzt zwar Spieler die mit dem Ball umgehen können und ein Spiel gestalten, aber ohne das Arbeiten gegen den Ball wird es auch hier nicht gehen. Erst recht nicht im Abstiegskampf, wenn die Lilien nicht bald die Kurve kriegen.
Samuel: Ich glaube Campo darf zum jetzigen Zeitpunkt seiner Karriere froh sein, in der 2. Bundesliga untergekommen zu sein. Aus meiner Sicht ist das momentan das Höchste der Gefühle für ihn.

Alles in allem klingen eure Zuschreibungen für Campo wie das komplette Gegenteil von Victor Pálsson, der vor zwei Jahren aus Zürich nach Darmstadt kam und der ein Leader ist. Stimmt ihr zu und wie würdet ihr Campo charakterlich beschreiben?
Florian: Victor Pálsson scheiterte in Zürich auch an den merkwürdigen Vorstellungen des Clubs, der keine Kämpfer, sondern bloss Techniker im Mittelfeld haben wollte. Davon ist der FCZ übrigens inzwischen abgerückt … ja, Campo und Pálsson sind ziemlich unterschiedliche Typen. Campo ist in Basel nie zu einer Leaderfigur geworden. Dazu wirkt er zu ruhig. Und er hat das Spiel halt auch zu wenig geprägt, um die Mannschaft anführen zu können.
Samuel: Außerhalb des Platzes habe ich Campo als ruhigen und überlegten Zeitgenossen kennengelernt.

Mit anderen Worten und um es positiv zu sehen: Wir haben mit Campo vielleicht keinen zweikampfstarken Mentalitätsspieler bekommen, dafür aber einen Kicker, der in der Offensive den Unterschied ausmachen kann.
Florian: Genau. Und vielleicht macht Campo in Darmstadt ja tatsächlich jenen Schritt, den er in Basel nie gemacht hat. In einer derart zweikampfbetonten Liga wie der 2. Bundesliga hat er jedenfalls noch nie gespielt. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder, er lässt sich komplett den Schneid abkaufen. Oder aber er nimmt den Kampf und das körperliche Spiel an. Wenn er das tut, kann er noch immer zu einem wirklich guten Spieler werden. Denn das Auge und den linken Fuss, die hat er.

Dann wünschen wir ihm und uns, dass er den Fight annimmt. Vielen Dank, ihr beiden, für eure Antworten.


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