Der neue Victor Pálsson heißt also Klaus Gjasula. Der 31-Jährige kommt vom Hamburger SV nach Darmstadt und hat einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Der albanische Nationalspieler machte deutschlandweit Schlagzeilen, als er vor zwei Spielzeiten den Rekord für die meisten Gelben Karten in der Bundesliga aufstellte. Abgesehen davon darf der Mittelfeldspieler als Spätzünder gelten. Nach langen Jahren in der 3. und 4. Liga – unter anderem bei den … nun ja … Offenbacher Kickers – landete er 2018 in Paderborn und anschließend beim HSV. Ich tausche mich mit Stephan vom Paderborner Blog und Podcast Schwarzundblau sowie Sascha von „Nur der HSV“ über unseren jüngsten Transfer aus.
Stephan über Klaus Gjasula beim SC Paderborn 07
Stephan, Klaus Gjasula hat zwei Jahre in Paderborn gespielt. Er stieg mit euch zunächst in die Bundesliga auf und machte dort mit seinen zahlreichen Verwarnungen auf sich aufmerksam. Was fällt Dir als erstes ein, wenn Du an ihn zurückdenkst?
Natürlich denkt man unweigerlich an den Rekord der Gelben Karten und dass er mit seinem Helm zu den auffälligsten Spielern im deutschen Profifußball gehört. Allerdings verbinde ich mit ihm einen ehemaligen Paderborner Akteur, der es mit uns geschafft hat, Bundesliga zu spielen, obwohl dies zu dem Zeitpunkt seiner Karriere fast schon ausgeschlossen war.
Als er zu euch kam, war er bereits 28 Jahre alt und hatte keinerlei Erst- und Zweitligaerfahrung. Dennoch setzte Steffen Baumgart sofort auf ihn. Vermutlich, weil er in gemeinsamen Drittligazeiten aufgefallen war und auch finanziell ins Beuteschema passte, oder wie siehst Du das?
Prinzipiell stimme ich dir zu, allerdings profitierte er bei seinem Zweitliga-Debüt vom Weggang des Defensivspielers Robin Krauße. Dieser war eigentlich im defensiven Mittelfeld gesetzt, verließ uns aber nach Spieltag 1 Richtung Ingolstadt, sodass Gjasula nicht nur sein Startelf-Debüt am 2. Spieltag feiern konnte, sondern auch sein erstes Tor schoss. Nach diesem Einstand nach Maß spielte er sich erst einmal fest. Perfekter kann es kaum laufen.
Was kann Gjasula dem Spiel einer Mannschaft noch geben außer einer physischen Komponente?
Tatsächlich ist das seine Hauptstärke und ich erwarte, dass man ihn genau deswegen nach Darmstadt geholt hat. Dazu kommt natürlich die Erfahrung, die er in seinem Alter vorweisen kann, von der man sicher auch profitieren möchte.
Was hat Dir persönlich an seinem Spiel gar nicht gut gefallen?
Die Art und Weise, wie er Elfmeter schießt. 2019 durfte er es einmalig gegen Augsburg versuchen, tippelte zum Ball und verwandelte den Strafstoß nicht. Danach trat er nie wieder vom Punkt aus an. Zurecht!
Darmstadt ist auf der Suche nach einem Leader, der die Lücke schließt, die Victor Pálsson im defensiven Mittelfeld hinterlassen hat. Klingt das nach einer Aufgabe für Klaus Gjasula?
Sein letzte Station beim HSV verlief eher unglücklich, vielleicht auch weil die Erwartungen an einen frischen Bundesliga-Spieler zu hoch waren. In Darmstadt kann er die von dir angesprochene Rolle sicher übernehmen, allerdings auch nur, wenn der Anspruch bei euch nicht nach oben geht. Das könnte zu viel für ihn sein.
Fürs Erste geht es bei uns darum, nicht im Tabellenkeller zur verharren. Welches Standing hatte er bei den Fans in Paderborn?
Er gehört zur Truppe, mit der man außerplanmäßig in die Bundesliga aufgestiegen ist. Von daher ist er ein Paderborner Held.
Danke Stephan, für Deine Eindrücke.
Sascha über Klaus Gjasula beim HSV (2020/21)
Sascha, welche Erwartungen hatte der HSV an Klaus Gjasula, als er ihn im vergangenen Sommer verpflichtete?
Die Position des defensiven zentralen Mittelfeldspielers war beim HSV lange eine Achillesferse. Zwei Jahre hintereinander konnte ein jeweils spielstarker Sechser nur eine Saison gehalten werden – die Leihgaben Orel Mangala und Adrian Fein mussten zurück zum VfB Stuttgart respektive zum FC Bayern. Der zur Saison 2020/21 installierte Trainer Daniel Thioune bekam mehr Auswahl, denn zu dieser Saison wurde die „Tradition“ eines spielerisch starken Sechsers mit Amadou Onana fortgeführt, zudem wurde allerdings Klaus Gjasula verpflichtet, der für seine eher raue Spielweise bekannt ist. Ich glaube, dass der HSV mit dieser Verpflichtung variabler und damit schwerer ausrechenbar sein wollte, wobei Gjasula sogar erstmal einen Bonus gegenüber Onana bekam. Man erinnere sich: Er war einer der oft zitierten „Säulenspieler“, um die herum Thioune den Rest der Mannschaft aufstellen wollte. Gjasula sollte, salopp formuliert, der Sechser sein, der „keinen Spaß versteht“. Die Drecksau im Mittelfeld, die früher ein Mark van Bommel bei den Bayern war, ein Gennaro Gattuso beim AC Mailand.
Und wie gut hat er diese Erwartungen erfüllt?
Nun ja: Er bekam nicht viele Gelegenheiten, sie zu erfüllen. In den ersten Spielen durfte er von Beginn an ran, doch es war schnell klar, dass Thioune doch eher auf genau den Spielertypen setzt, den es schon in den vergangenen Serien beim HSV gab: den spielerisch starken Sechser, der in dem Fall Onana war. Nichts mehr mit „Säulenspieler“. Ab Spieltag 3 kam es für Gjasula lange nur noch zu Kurzeinsätzen. Als er sich dann für eine Zeit wieder in die erste Elf gekämpft hatte, zog er sich eine schwere Verletzung zu. Nach einem Innenbandriss im Knie fand er nicht mehr ins Team zurück bzw. setzten Thioune und später Hrubesch nicht mehr auf ihn.
Warum verlief die Zusammenarbeit zwischen dem HSV und Klaus Gjasula nicht wunschgemäß?
Schwer zu sagen. Zum einen – wie erwähnt – war da Onana, der einfach gut war. Zum anderen ist Gjasula auch nicht als Diplomat bekannt. Er trägt sein Herz auf der Zunge, sowohl im Training als auch auf dem Feld – das durfte unter anderem auch Schiedsrichter Kampka in der Partie gegen Darmstadt erfahren, als er einen Elfmeterpfiff wieder zurücknahm und Gjasula ihn sich zur Brust nahm. So etwas kommt natürlich nicht bei jedem gleich gut an und macht es Trainern zuweilen schwer, Argumente pro Gjasula zu finden.
Du hast erwähnt, dass zunächst Thioune und auf der Zielgeraden dann auch Hrubesch nicht auf ihn setzten. War er Bauernopfer, oder hatte er selbst einen gehörigen Anteil an dem Missverständnis?
Ein Bauernopfer war er sicher nicht. Gjasula eckte wie erwähnt häufig mit seiner Art an und gehörte bei vielen Fans deshalb auch nicht zu den beliebtesten Spielern. Darüber hätte Hrubesch locker hinweggesehen. Auch über etwaige Differenzen zwischen ihm und dem Spieler selbst. Hrubesch ging es aber darum, eine gewisse Mentalität in die Mannschaft zu bekommen. Dieses „kämpfen bis zum Abpfiff“, dieses „alles geben“ – den absoluten Willen hat er bei Gjasula nicht entdecken können. Möglicherwiese war das Gjasulas eigener Situation als Reservist und der Situation des HSV als strauchelnder Favorit geschuldet. Kopfsache.
Du hast die vielen Fans erwähnt, die ihn nicht unbedingt mochten. Das lässt sich auch an den Reaktionen ablesen, die seinen Weggang begleiteten. Wie kam es genau dazu?
Spieler wie er werden geliebt, wenn ihre Leistung stimmt – und gehasst, wenn die Leistung nicht abgerufen werden kann. Wir hatten – man muss den Namen leider nochmal erwähnen – mit Onana einen Akteur, der den HSV aus Sicht einiger Fans in die Zukunft hätte führen können. In diesem Szenario wäre wenig Platz für „Helm-Klaus“, wie er gern in Anlehnung an einen ganz besonderen HSV-Fan genannt wurde, gewesen. Zudem haben wir mit Jonas Meffert von Holstein Kiel einen starken Mann für die Sechser-Position bekommen. Da hält sich die Trauer in Grenzen.
Wenn Du an das Spiel von Klaus Gjasula denkst, was findest Du gut, und was weniger, auch in puncto Spiel mit Ball?
Er geht ohne Rücksicht auf Verluste dahin, wo es wehtut – diese Eigenschaft schätze ich sehr. Allerdings tut er das manchmal auch sehr ungestüm. Ein bisschen weniger Intuition und ein bisschen mehr Optionen abwägen täte ihm gut. Was ich noch in Erinnerung habe ist, dass er einen guten langen Ball spielt – wenn er die Zeit dafür hat.
Ist er für dich als alleiniger Sechser besser aufgehoben oder als Teil einer Doppelsechs?
Unbedingt Doppelsechs. Wie gesagt: Der Blick nach oben, der lange Pass nach vorn – den beherrscht er eigentlich. Aber oft fehlte ihm dafür die halbe Sekunde Zeit, die man braucht. Mit einem Spieler an der Seite, der ihm die gibt, kann Gjasula ein Gewinn für Darmstadt sein.
Besten Dank, Sascha, dass Du uns Deine Sichtweise zu Klaus Gjasula näher gebracht hast.
Insider-Interviews zu den bisherigen Verpflichtungen:
- Mit Robert Laul (Aftonbladet) über Innenverteidiger Thomas Isherwood* (Östersunds FK)
- Mit Anna (Football Radar) über Außenverteidiger Emir Karic (SCR Altach)
- Mit Alex (NurderFCM) über Keeper Morten Behrens (1. FC Magdeburg)
- Mit Jens (Sportjournalist) über Defensivspezialist Jannik Müller (DAC Dunajská Streda)
- Mit Sonja (Journalistin) über Angreifer Phillip Tietz (SV Wehen Wiesbaden)
- Mit Steffen (Journalist) über Außenverteidiger Frank Ronstadt (FC Kickers Würzburg)
- Mit Gerald (Dozent und Buchautor) über Coach Torsten Lieberknecht (vertragslos)
- Mit Jörn (KSC-Fan) über Außenstürmer Benjamin Goller (Werder Bremen/Karlsruher SC)
- Mit Silvan (Journalist und FCZ-Fan) über Innenverteidiger Lasse Sobiech (1. FC Köln/FC Zürich)
- Mit Steffen (Journalist) über Angreifer Luca Pfeiffer (FC Midtjylland)
- Mit Anna (Football Radar) über Mittelfeldspieler Nemanja Celic (WSG Tirol)
* Winter-Neuzugang, aber lange Zeit verletzt
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