Insider im Gespräch über … Fabian Schnellhardt (#8)

Fabian Schnellhardt wird zukünftig ein Faktor im Spiel der Lilien sein. Das legen zumindest die detaillierten Äußerungen von Christoph nahe, mit dem ich mich über den vom MSV Duisburg gekommenen Neuzugang ausgetauscht habe. Er sollte es wissen, supportet er doch den MSV, trainiert selber ein Juniorenteam und hat ein deutliches Faible für taktische Belange. Mit dem 25-Jährigen Mittelfeldakteur stößt jedenfalls ein gestandener Profi zum SVD, der im Spiel des MSV unverzichtbar war und 63 Zweitligabegegnungen für die Westdeutschen absolvierte. Daneben stand er 2011 bei der U17-Weltmeisterschaft im DFB-Kader und wurde unter anderem im Spiel um Platz 3 für Mitchell Weiser eingewechselt. Emre Can, Kaan Ayhan und Rani Khedira zählten damals ebenfalls zum Aufgebot.

„Mit seinem Spielverständnis, seiner Technik und Präsenz entspricht er genau unserem Anforderungsprofil für das zentrale Mittelfeld.“ Das sagte Carsten Wehlmann, Sportlicher Direktor der Lilien, nach der Verpflichtung von Fabian Schnellhardt. Erkennst Du ihn in dieser Beschreibung grundsätzlich wieder?
Grundsätzlich schon, auch wenn mir die Beschreibung zu oberflächlich erscheint.

Dann geh doch bitte ins Detail.
Schnellhardts größte Stärke ist sicherlich seine Ballbehandlung. Sowohl im Passspiel als auch im Dribbling unterlaufen ihm kaum Fehler und Ungenauigkeiten. Er hatte in Duisburg in praktisch jedem Spiel die beste Passquote. Hinzu kommt eine überdurchschnittlich gute Orientierung. Er ist sehr pressingresistent. Egal wie er angelaufen wird, er wählt fast immer die geeignete Körperstellung und findet den „freien Ausgang“. Selbst Dinge, die in seinem Rücken geschehen, nimmt er meist richtig wahr. Er nutzt viele Körpertäuschungen und kleinräumige Wendungen mit denen er die Gegenspieler manipuliert und lenkt. Hinzu kommt ein starker erster Kontakt, egal mit welchem Fuss und mit welcher Fussseite. So kann er sich immer vom Gegnerdruck befreien und dann das Spiel „entspannt“ fortsetzen.
Zum Ende seiner Duisburger Zeit nutzte er zudem vermehrt kleinräumige Dribblings, um Raum zu gewinnen und den Ball nach vorne zu tragen. Dabei zeigte er sich durchaus explosiv und antrittsstark, obwohl sein Spiel und Laufstil subjektiv nicht sonderlich dynamisch wirken. Dazu passt auch, dass er die Bälle schon mal etwas länger hält, um den Mannschaftskollegen Zeit zu geben, sich besser zu positionieren oder um neue Räume und Passwinkel zu öffnen. Ein Punkt, den einige Fans kritisch gesehen haben. Die einen sagen, er beruhigt das Spiel, die anderen kritisieren, dass er das Tempo verschleppt.

Oha, das klingt so, als ob wir uns in Darmstadt mit einem ganz neuen Spielertypus anfreunden dürfen und nach einer Debatte, wie wir sie von Toni Kroos kennen …
Ehrlich gesagt, könnte ich mir sogar vorstellen, dass Schnellhardt selbst in den besten Ballbesitzmannschaften problemlos mitspielen könnte ohne negativ aufzufallen. Umgekehrt ist er in Mannschaften verschenkt, deren Spielweise sich über Pressing, Kampf und schnelles Umschalten definieren, oder die hohe Bälle schlagen.

Das heißt, Grammozis wird mit ihm wohl seinen mutigeren Spielstil fortsetzen wollen.
Im ersten Moment habe ich den Wechsel nicht verstanden. Zum Schuster-Fussball und -Kader passt Schnellhardt eigentlich gar nicht. Aber für einen Kurswechsel in der Darmstädter Spielanlage ist Schnellhardt sicherlich ein geeigneter Mosaikstein.

Was die nackten Zahlen anbelangt, so fällt Schnellhardt bei den Torbeteiligungen überhaupt nicht auf: Nur eine Torvorlage, kein Tor. In der Saison davor waren es auch lediglich zwei Torvorlagen. Wie nimmt er dennoch Einfluss auf das Spiel seines Teams?
Alles was flach durch`s Mittelfeld und über den Sechserraum geht, läuft über Schnelli. Er ist der perfekte Verbindungs- und Übergangsspieler und der Ball ist bei ihm stets gut aufgehoben. Er positioniert sich dabei meist sehr geschickt, hat ein gutes Gefühl für Räume und die Spielfortsetzung. Vertikal spielt er dabei nur, wenn die Erfolgsquote sehr hoch liegt. Es kann deswegen schon mal sein, dass er hinten rum oder quer spielt. Das macht er aber nicht, weil er höher stehende Mitspieler übersieht, sondern weil er gerne im Ballbesitz bleiben möchte. Dabei verhält er sich nach meinem Empfinden strategisch sehr weitsichtig und trifft praktisch immer die richtigen Entscheidungen. Trotzdem ist dies natürlich ein Punkt, der bei manchen MSV-Fans Kritik ausgelöst hat.
Im ersten Zweitligajahr unter Gruev wurden in Duisburg viele Bälle in der Spieleröffnung lang geschlagen. Das kam seinen Stärken nicht so entgegen. Er sammelte dann trotzdem einige zweite Bälle und Abpraller ein und zeigte sich in der Antizipation der gegnerischen Spielzüge sehr aufmerksam. Das macht sein generell gutes Spielverständnis aus. In diesem Zusammenhang finde ich es sinnvoll, wenn seine Mittelfeldkollegen besonders geschickt und/oder aggressiv anlaufen und so Fehler beim Gegner produzieren. Schnellhardt nutzt dann diese Fehler, um die Bälle „aus der Tiefe“ einzusammeln. Im Kopfballspiel tritt er eher verhalten auf, weswegen es nicht schaden kann, wenn er kopfballstarke Nebenleute hat.

Wie steht es um die kämpferische Komponente in seinem Spiel?
Der direkte körperliche Zweikampf ist nicht unbedingt seine Kernkompetenz, was aber nicht heißt, dass er sich dafür zu fein ist. Als er als Jungspund aus Köln kam, fand er beim damaligen Trainer Gino Lettieri kaum Beachtung. Der setzte eher auf bissige, kampfstarke Sechser. Erst nach seiner Kiel-Leihe und dem Wechsel auf der Trainerposition zu Ilja Gruev bekam Schnellhardt die Anerkennung und Rolle im MSV-Spiel, die er meines Erachtens verdient. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich ihn im Trainingslager nach der Kiel-Leihe zum ersten Mal am Ball gesehen habe, da konnte ich kaum glauben wie stark er war. In seiner MSV-Zeit hat er zudem gelernt, Fussball zu „arbeiten“. Gerne macht er das aber nicht. Zweikämpfe gewinnt er eher mit Geschick und Antizipation als mit Kraft und Wucht.

Was ist mit seiner Abschlussstärke, selbst wenn sie sich in Duisburg nicht niederschlug?
Beim ersten Trainingslager nach seinem Wechsel aus Köln hat er in einer Kleinfeldspielform ansatzlos den Ball mit links ganz präzise im Eck versenkt. Das war beeindruckend. Sein linker Fuss kann eine Waffe sein. In Abschlusssituationen kam er im Duisburger Spiel aber selten, einfach weil er meist tiefer spielte.

Was hat Dir in seinem Spiel dahingegen immer mal wieder weniger gut gefallen? Mir ist der Blogger Trainer Baade im Ohr, der auch total von Schnellhardt überzeugt ist, der allerdings das mangelnde Tempo bemerkte.
Darauf war ich vorhin schon kurz eingegangen, ich sehe diese subjektiven Tempobeurteilungen eher kritisch. Er hatte in der letzten Saison laut whoscored.com die meisten erfolgreichen Dribblings beim MSV, noch vor unseren Außenbahnspielern. Das kann man ohne ein gewisses Tempo ja kaum schaffen. Zudem kann das Reduzieren des (Spiel-)Tempos strategische Gründe haben. Busquets ist auch nicht der schnellste, nimmt aber sowohl defensiv als auch offensiv enormen Einfluss auf das Spiel von Barca. Dafür muss der Rest der Mannschaft diese Spielweise aber unterstützen. Hast du viel Ballbesitz, kann Schnellhardt glänzen. Läufst du viel hinterher, eher nicht.
Zeitweise war er mir persönlich – gemessen an seinen Fähigkeiten und der Rolle im Duisburger Spiel – eine Spur zu passiv im Freilaufen, Anbieten und Bälle fordern. Vielleicht hatte er in diesen Situationen aber einfach das Gefühl nicht helfen zu können oder hat es strategisch nicht für nötig gehalten. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er diese Entscheidungen bewusst getroffen hat und nicht weil ihm der Mut in seine Fähigkeiten verlassen hat.

Auf welcher Position siehst Du ihn folglich am besten aufgehoben und wie flexibel einsetzbar ist er?
In seiner Kieler Zeit hat er im offensiven Mittelfeld alle Positionen gespielt. Dort hatte er viel mehr Torbeteiligungen als beim MSV. In Duisburg wurde er ausschließlich auf der Sechs oder Acht eingesetzt. Ich denke schon, dass er im defensiven Mittelfeld als Ballbesitzinstanz mit dem Spiel vor sich gut aufgehoben ist. Im offensiven Mittelfeld kommt er aber sicher auch gut zurecht, wobei jede Seitenlinie seine Kreativität und Unberechenbarkeit einschränkt. Deswegen zwingend zentral oder in den Halbräumen, nicht außen.

Kann er auch Standards?
Freistöße haben in Duisburg meist andere getreten. Ecken hat Schnellhardt hingegen öfters geschossen.

Die Lilien werden ihn mit seinen Fähigkeiten wohl nicht als Backup verpflichtet haben. Hat er Leaderqualitäten und würdest Du ihn als absoluten Teamplayer bezeichnen?
Das kann man von außen schwer sagen, da wir als Fans nicht mitbekommen, wie die Spieler in der Kabine auftreten oder sich auf dem Feld unterhalten. Ein klassischer Lautsprecher und Ärmelhochkrempler à la Effenberg ist er ganz sicher nicht. Er scheint eher introvertiert zu sein. Aber er wurde von seinen Mitspielern auf dem Feld schon gesucht und akzeptiert, was natürlich mit seinen fussballerischen Qualitäten zu tun hat. Seine Spielweise ist grundlegend teamorientiert, da er immer bemüht ist, seine Mitspieler in Szene zu setzen und den Ballbesitz zu erhalten. Egomanische Züge („ich schnapp mir den Ball beim Elfer/Freistoß“) sind ihm fremd.

Wie war sein Standing in der Fanszene?
Für 80 Prozent war er schlicht der bester Fussballer im Kader. Die anderen haben sich an den oben genannten „Schwächen“ hoch gezogen.

Wow, besten Dank Christoph, für Deine persönlichen, aber dennoch sehr gut dargelegten Ansichten zu Fabian Schnellhardt!


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